Difference between revisions of "Synergetische Linguistik"

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Die grundlegende Idee hinter der '''synergetischen Linguistik''' (vgl. Köhler 1986, 2005) ist das Ziel, die einzelnen Gesetze und Hypothesen, die bisher gefunden wurden, in ein komplexes Model einzubinden, das die linguistischen Phänomene nicht nur beschreibt, sondern auch ein Hilfsmittel bietet, um sie zu erklären. Dies wird erreicht durch die Einbringung des zentralen Axioms, dass die Sprache ein selbstregulierendes und selbstorganisierendes System ist. Eine Erklärung der Existenz, Eigenschaften und Veränderungen von linguistischen, (allgemeiner: semiotischen) Systemen ist nicht möglich ohne den Aspekt der (dynamischen) wechselseitigen Abhängigkeit von Struktur und Funktion. Die Entstehung und die Entwicklung dieser Systeme muss den Auswirkungen von Kommunikation auf die Struktur (vgl. Bunge 1998 im Gegensatz zu Köhler/Martináková 1998) beigemessen werden.
 
Die grundlegende Idee hinter der '''synergetischen Linguistik''' (vgl. Köhler 1986, 2005) ist das Ziel, die einzelnen Gesetze und Hypothesen, die bisher gefunden wurden, in ein komplexes Model einzubinden, das die linguistischen Phänomene nicht nur beschreibt, sondern auch ein Hilfsmittel bietet, um sie zu erklären. Dies wird erreicht durch die Einbringung des zentralen Axioms, dass die Sprache ein selbstregulierendes und selbstorganisierendes System ist. Eine Erklärung der Existenz, Eigenschaften und Veränderungen von linguistischen, (allgemeiner: semiotischen) Systemen ist nicht möglich ohne den Aspekt der (dynamischen) wechselseitigen Abhängigkeit von Struktur und Funktion. Die Entstehung und die Entwicklung dieser Systeme muss den Auswirkungen von Kommunikation auf die Struktur (vgl. Bunge 1998 im Gegensatz zu Köhler/Martináková 1998) beigemessen werden.
  
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==Kommentare==
 
Dieses Axiom (d.h. die Sicht der Sprache als ein System, das sich in Reaktion auf die Eigenschaften und Erfordernisse seiner Umgebung durch Adaptionsmechanismen in Analogie zur biologischen Evolution entwickelt) macht es möglich, ein Modell auf der Basis der Synergetik aufzustellen. Der synergetische Ansatz (vgl. Haken/Graham 1971; Haken 1978) ist ein spezieller Zweig der Systemtheorie (von Bertalanffy 1968) und kann als ein interdisziplinärer Ansatz beim Modellieren bestimmter dynamischer Aspekte von Systemen, die in verschiedenen Disziplinen für unterschiedliche Untersuchungsgegenstände in analoger Weise auftauchen, charakterisiert werden. Seine Besonderheit, die ihn von anderen systemtheoretischen Ansätzen unterscheidet, ist, dass er sich auf den „spontanen“ Anstieg und die Entwicklung von Strukturen konzentriert. Die synergetische Modellbildung in der Linguistik beginnt bei axiomatisch vorausgesetzten Anforderungen, die ein semiotischen System erfüllen muss wie das Kodierungsbedürfnis (semiotische Systeme müssen Mittel bereitstellen, um bedeutungstragende Ausdrücke zu erzeugen), die Anforderung nach Kodierungs- und Dekodierungseffizienz, der Gedächtnisökonomie, der Übertragungssicherheit, der Minimierung des Arbeitsaufwands und vielen anderen.  
 
Dieses Axiom (d.h. die Sicht der Sprache als ein System, das sich in Reaktion auf die Eigenschaften und Erfordernisse seiner Umgebung durch Adaptionsmechanismen in Analogie zur biologischen Evolution entwickelt) macht es möglich, ein Modell auf der Basis der Synergetik aufzustellen. Der synergetische Ansatz (vgl. Haken/Graham 1971; Haken 1978) ist ein spezieller Zweig der Systemtheorie (von Bertalanffy 1968) und kann als ein interdisziplinärer Ansatz beim Modellieren bestimmter dynamischer Aspekte von Systemen, die in verschiedenen Disziplinen für unterschiedliche Untersuchungsgegenstände in analoger Weise auftauchen, charakterisiert werden. Seine Besonderheit, die ihn von anderen systemtheoretischen Ansätzen unterscheidet, ist, dass er sich auf den „spontanen“ Anstieg und die Entwicklung von Strukturen konzentriert. Die synergetische Modellbildung in der Linguistik beginnt bei axiomatisch vorausgesetzten Anforderungen, die ein semiotischen System erfüllen muss wie das Kodierungsbedürfnis (semiotische Systeme müssen Mittel bereitstellen, um bedeutungstragende Ausdrücke zu erzeugen), die Anforderung nach Kodierungs- und Dekodierungseffizienz, der Gedächtnisökonomie, der Übertragungssicherheit, der Minimierung des Arbeitsaufwands und vielen anderen.  
 
 
 
Diese Anforderungen können in drei Arten unterteilt werden (vgl. Köhler 1990, 181f): (1) sprachkonstituierende Anforderungen, (2) sprachformende Anforderungen, und (3) Anforderungen der Steuerungsebene (das Anpassungsbedürfnis, d.h. die Notwendigkeit für eine Sprache, sich selbst an verschiedene Umstände anzupassen, und das entgegengesetzte Stabilitätsbedürfnis). Der zweite Schritt ist die Festlegung von Systemebenen, -einheiten und -variablen, die für die betreffende Untersuchung von Interesse sind. Im dritten Schritt werden relevante Konsequenzen, Effekte und Wechselbeziehungen bestimmt. Hierbei bildet oder systematisiert der Forscher Hypothesen über Abhängigkeiten von Variablen zu anderen, z.B. steigt mit der wachsenden Polytextie eines lexikalischen Elements seine Polysemie monoton, oder, je höher die Position einer syntaktischen Konstruktion ist (d.h. je weiter rechts sie sich innerhalb der Mutterkonstituente befindet) desto weniger Informationen enthält sie, usw. Der vierte Schritt besteht in der Suche nach funktionalen Äquivalenten und Multifunktionalitäten. Der fünfte Schritt ist die mathematische Formulierung der bisher aufgestellten Hypothesen - eine Voraussetzung für jeden striktenTest - und Schritt 6 ist der empirische Test dieser mathematisch formulierten Hypothesen. Auf diese Weise können für jedes Subsystem der Sprache (d.h. die lexikalischen, morphologischen, syntaktischen usw. Subsysteme), Modelle von beliebiger Komplexität gebildet werden. Die Elemente, die Systemvariablen, repräsentieren linguistische Einheiten oder ihre Eigenschaften, während die spezifischen Verbindungen zwischen diesen Elementen universelle Hypothesen sind, die den Status von Gesetzen erhalten, wenn sie intensiv getestet und untermauert wurden.
 
Diese Anforderungen können in drei Arten unterteilt werden (vgl. Köhler 1990, 181f): (1) sprachkonstituierende Anforderungen, (2) sprachformende Anforderungen, und (3) Anforderungen der Steuerungsebene (das Anpassungsbedürfnis, d.h. die Notwendigkeit für eine Sprache, sich selbst an verschiedene Umstände anzupassen, und das entgegengesetzte Stabilitätsbedürfnis). Der zweite Schritt ist die Festlegung von Systemebenen, -einheiten und -variablen, die für die betreffende Untersuchung von Interesse sind. Im dritten Schritt werden relevante Konsequenzen, Effekte und Wechselbeziehungen bestimmt. Hierbei bildet oder systematisiert der Forscher Hypothesen über Abhängigkeiten von Variablen zu anderen, z.B. steigt mit der wachsenden Polytextie eines lexikalischen Elements seine Polysemie monoton, oder, je höher die Position einer syntaktischen Konstruktion ist (d.h. je weiter rechts sie sich innerhalb der Mutterkonstituente befindet) desto weniger Informationen enthält sie, usw. Der vierte Schritt besteht in der Suche nach funktionalen Äquivalenten und Multifunktionalitäten. Der fünfte Schritt ist die mathematische Formulierung der bisher aufgestellten Hypothesen - eine Voraussetzung für jeden striktenTest - und Schritt 6 ist der empirische Test dieser mathematisch formulierten Hypothesen. Auf diese Weise können für jedes Subsystem der Sprache (d.h. die lexikalischen, morphologischen, syntaktischen usw. Subsysteme), Modelle von beliebiger Komplexität gebildet werden. Die Elemente, die Systemvariablen, repräsentieren linguistische Einheiten oder ihre Eigenschaften, während die spezifischen Verbindungen zwischen diesen Elementen universelle Hypothesen sind, die den Status von Gesetzen erhalten, wenn sie intensiv getestet und untermauert wurden.
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==Andere Sprachen==
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* English [[Synergetic linguistics]]
  
 
==Literatur==
 
==Literatur==

Latest revision as of 10:04, 14 September 2014

Definition

Die grundlegende Idee hinter der synergetischen Linguistik (vgl. Köhler 1986, 2005) ist das Ziel, die einzelnen Gesetze und Hypothesen, die bisher gefunden wurden, in ein komplexes Model einzubinden, das die linguistischen Phänomene nicht nur beschreibt, sondern auch ein Hilfsmittel bietet, um sie zu erklären. Dies wird erreicht durch die Einbringung des zentralen Axioms, dass die Sprache ein selbstregulierendes und selbstorganisierendes System ist. Eine Erklärung der Existenz, Eigenschaften und Veränderungen von linguistischen, (allgemeiner: semiotischen) Systemen ist nicht möglich ohne den Aspekt der (dynamischen) wechselseitigen Abhängigkeit von Struktur und Funktion. Die Entstehung und die Entwicklung dieser Systeme muss den Auswirkungen von Kommunikation auf die Struktur (vgl. Bunge 1998 im Gegensatz zu Köhler/Martináková 1998) beigemessen werden.

Kommentare

Dieses Axiom (d.h. die Sicht der Sprache als ein System, das sich in Reaktion auf die Eigenschaften und Erfordernisse seiner Umgebung durch Adaptionsmechanismen in Analogie zur biologischen Evolution entwickelt) macht es möglich, ein Modell auf der Basis der Synergetik aufzustellen. Der synergetische Ansatz (vgl. Haken/Graham 1971; Haken 1978) ist ein spezieller Zweig der Systemtheorie (von Bertalanffy 1968) und kann als ein interdisziplinärer Ansatz beim Modellieren bestimmter dynamischer Aspekte von Systemen, die in verschiedenen Disziplinen für unterschiedliche Untersuchungsgegenstände in analoger Weise auftauchen, charakterisiert werden. Seine Besonderheit, die ihn von anderen systemtheoretischen Ansätzen unterscheidet, ist, dass er sich auf den „spontanen“ Anstieg und die Entwicklung von Strukturen konzentriert. Die synergetische Modellbildung in der Linguistik beginnt bei axiomatisch vorausgesetzten Anforderungen, die ein semiotischen System erfüllen muss wie das Kodierungsbedürfnis (semiotische Systeme müssen Mittel bereitstellen, um bedeutungstragende Ausdrücke zu erzeugen), die Anforderung nach Kodierungs- und Dekodierungseffizienz, der Gedächtnisökonomie, der Übertragungssicherheit, der Minimierung des Arbeitsaufwands und vielen anderen.

Diese Anforderungen können in drei Arten unterteilt werden (vgl. Köhler 1990, 181f): (1) sprachkonstituierende Anforderungen, (2) sprachformende Anforderungen, und (3) Anforderungen der Steuerungsebene (das Anpassungsbedürfnis, d.h. die Notwendigkeit für eine Sprache, sich selbst an verschiedene Umstände anzupassen, und das entgegengesetzte Stabilitätsbedürfnis). Der zweite Schritt ist die Festlegung von Systemebenen, -einheiten und -variablen, die für die betreffende Untersuchung von Interesse sind. Im dritten Schritt werden relevante Konsequenzen, Effekte und Wechselbeziehungen bestimmt. Hierbei bildet oder systematisiert der Forscher Hypothesen über Abhängigkeiten von Variablen zu anderen, z.B. steigt mit der wachsenden Polytextie eines lexikalischen Elements seine Polysemie monoton, oder, je höher die Position einer syntaktischen Konstruktion ist (d.h. je weiter rechts sie sich innerhalb der Mutterkonstituente befindet) desto weniger Informationen enthält sie, usw. Der vierte Schritt besteht in der Suche nach funktionalen Äquivalenten und Multifunktionalitäten. Der fünfte Schritt ist die mathematische Formulierung der bisher aufgestellten Hypothesen - eine Voraussetzung für jeden striktenTest - und Schritt 6 ist der empirische Test dieser mathematisch formulierten Hypothesen. Auf diese Weise können für jedes Subsystem der Sprache (d.h. die lexikalischen, morphologischen, syntaktischen usw. Subsysteme), Modelle von beliebiger Komplexität gebildet werden. Die Elemente, die Systemvariablen, repräsentieren linguistische Einheiten oder ihre Eigenschaften, während die spezifischen Verbindungen zwischen diesen Elementen universelle Hypothesen sind, die den Status von Gesetzen erhalten, wenn sie intensiv getestet und untermauert wurden.

Andere Sprachen

Literatur

  • Bertalanffy, Ludwig van. 1968. General System Theory. Foundations, Development, Applications. New York: George Braziller.
  • Bunge, Mario. 1998. Semiotic Systems. In: Altmann & Koch (ed.). Systems. A New Paradigm for the Human Sciences. Berlin, New York: Walter de Gruyter,337-349.
  • Haken, Hermann. 1978. Synergetics. Berlin, Heidelberg, New York: Springer.
  • Haken, Hermann & Graham, R.. 1971. Synergetik. Die Lehre vom Zusammenwirken. Umschau 6, 191.
  • Köhler, Reinhard. 1986. Zur linguistischen Synergetik. Struktur und Dynamik der Lexik. Bochum: Brockmeyer.
  • Köhler, Reinhard. 1990. Elemente der synergetischen Linguistik. Glottometrika 12: 179-188.
  • Köhler, Reinhard. 1995. Bibliography of quantitative linguistics = Bibliographie zur quantitativen Linguistik = Bibliografija po kvantitativnoj lingvistike. Amsterdam: Benjamins.
  • Köhler, Reinhard. 2005. Synergetic Linguistics. In: Köhler, Gabriel Altmann & Rajmund G. Piotrowski (eds.). Quantitative Linguistik. Ein internationales Handbuch. Quantitative Linguistics. An International Handbook. Berlin, New York: Walter de Gruyter, 760-775.
  • Köhler, Reinhard. Laws of language. In: Colm Hogan, Patrick (ed.). The Cambridge Encyclopedia of the Language Sciences. (to appear).
  • Köhler, Reinhard & Martináková, Zuzana. 1998. A systems theoretical approach to language and music. In: Altmann, Gabriel & Koch, Walter A. (eds.). Systems. A new paradigm for the human sciences. Berlin, New York: Walter de Gruyter, 514-546.