http://glottopedia.org/index.php?title=Special:NewPages&feed=atom&hideredirs=1&limit=50&offset=&namespace=0&username=&tagfilter=&size-mode=max&size=0Glottopedia - New pages [en]2024-03-29T14:23:21ZFrom GlottopediaMediaWiki 1.34.2http://glottopedia.org/index.php/UrspracheUrsprache2023-03-07T14:35:50Z<p>FrederikSkidzun: Literatur ergänzt (Hejna, Walkden 2022).</p>
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Als '''Ursprache''' wird eine meist hypothetische, rekonstruierte Sprache bezeichnet, aus welcher miteinander verwandte Tochtersprachen hervorgegangen sind.<br />
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==Synonyme==<br />
Grundsprache, Proto-Sprache, Elternsprache<br />
<br />
==Polyseme==<br />
Vereinzelt wird mit dem Begriff ''Ursprache'' auch eine in Monogenese entstandene Weltursprache (engl. ''proto-human'', ''proto-world'', ''proto-sapiens'') bezeichnet.<br />
<br />
==Kommentare==<br />
Das Konzept der Ursprache geht maßgeblich auf William Jones zurück. Aufbauend auf insbesondere morphologischen Ähnlichkeiten postulierte er 1786 in einem Vortrag eine gemeinsame Ursprungssprache für [[Sanskrit]], [[Griechisch]] und [[Latein]], von welcher darüber hinaus [[Gotisch]], die keltischen Sprachen und Alt-Persisch abstammen sollten (Jones 1807: 34-35). Die so erstmals beschriebene Sprachfamilie erhielt später den Namen [[Indogermanisch|''Indo-Europäisch'']] bzw. ''Indo-Germanisch'', ihre Ursprache wird als [[Urindogermanisch|''Urindogermanisch'']] bezeichnet.<br />
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Wie alle Sprachen unterliegen auch Ursprachen, soweit sie tatsächlich gesprochen wurden, Sprachwandelprozessen und somit der Herausbildung von Dialekten, was sich im Rahmen der [[Rekonstruktion]] jedoch nicht darstellen lässt. Bei weiterer Differenzierung entwickeln sich diese zu unterschiedliche Sprachen. Die Beziehung zwischen einer Ursprache und den aus ihr hervorgegangenen Sprachen wird häufig durch Verwandtschaftsbeziehungen ausgedrückt, indem die Ursprache als ''Elternsprache'' (engl. ''mother language'', die deutsche Übersetzung ''Muttersprache'' ist unüblich, da so i.d.R. die L1-Sprache bezeichnet wird) dient, die aus ihr hervorgegangenen Sprachen als ''Tochtersprachen'' (engl. ''daughter language'').<br />
<br />
In Anlehnung an die Evolutionsbiologie bildet eine Ursprache mit den aus ihr hervorgegangenen Sprachen eine [[Sprachfamilie]] (auch ''genetische Einheit''), wobei die Tochtersprachen ihrerseits Elternsprache für einen Zweig innerhalb der Sprachfamilie werden können. Dies wird etwa am Beispiel des [[Germanisch|Germanischen]] deutlich: Als Tochtersprache des Urindogermanischen entwickelten sich daraus die Tochtersprachen [[Westgermanisch|West-]], [[Nordgermanisch|Nord-]] und [[Ostgermanisch]] als Vorläufer moderner Sprachen wie [[Deutsch]], [[Schwedisch]] oder des ausgestorbenen Gotisch. Germanisch sowie West-, Nord- und Ostgermanisch sind demzufolge jeweils sowohl Eltern- als auch Tochtersprachen.<br />
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[[File:Stammbaum germanische Sprachen.png|1000px|thumb|center|Vereinfachte Darstellung des Stammbaums der germanischen Sprachen]]<br />
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Durch die sprachgeschichtlich spät einsetzende Schriftlichkeit sind Ursprachen regelmäßig nicht bezeugt. Mittels vergleichender Methode konnten Aspekte verschiedener Ursprachen jedoch rekonstruiert werden. Neben dem Urindogermanischen sind etwa das mittelamerikanische [[Ur-Maya]], [[Ur-Austronesisch]] (Ursprache etwa der Sprachen Polynesiens) oder [[Uralisch]] (Ursprache u.a. des Finnischen und Ungarischen) zu nennen.<br />
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==Siehe auch==<br />
[[Sprachfamilie]], [[Sprachwandel]], [[Lautwandel]], [[Rekonstruktion]], [[Urindogermanisch]]<br />
<br />
==Andere Sprachen==<br />
engl. [[Proto-language]]<br />
<br />
==Literatur==<br />
<br />
* Campbell, Lyle. 2013. ''Historical Linguistics: An Introduction''. 3. Auflage. Edinburgh: Edinburgh University Press.<br />
* Campbell, Lyle & Mauricio J. Mixco. 2007. ''A Glossary of Historical Linguistics''. Edinburgh: Edinburgh University Press.<br />
* Carling, Gerd. 2019. ''Mouton Atlas of Languages and Culture: Vol. 1 Europe and West, Central, and South Asia''. Berlin, Boston: De Gruyter.<br />
* Crowley, Terry. 1992. ''An Introduction to Historical Linguistics''. 2. Auflage. Auckland, New York: Oxford University Press.<br />
* Hejná, Míša & George Walkden. 2022. ''A history of English (Textbooks in Language Sciences 9)''. Berlin: Language Science Press.<br />
* Hock, Hans Heinrich & Brian D. Joseph. 2019. ''Language History, Language Change and Language Relationship: An Introduction to Historical and Comparative Linguistics''. 3. Auflage. Berlin, Boston: De Gruyter.<br />
* Jones, Sir William. 1807 . The third anniversary discourse, on the Hindus. In: Teignmouth, Lord (ed.). ''The works of Sir William Jones with the Life of the Author. Bd. 3''. London: John Stockdale/John Walker, 24-46.</div>FrederikSkidzunhttp://glottopedia.org/index.php/KreolspracheKreolsprache2023-03-05T14:58:34Z<p>AMyP: minor changes</p>
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<div>== Synonyme und Übersetzungen ==<br />
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Kreol, Kreolsprache, engl. ''creole'', frz. ''créole''<br />
<br />
== Definition ==<br />
<br />
Kreolsprachen sind im Zuge der Kolonialexpansion aus verschiedenen Sprachen entstandene Kontaktsprachen, die häufig bestimmte grammatische Merkmale (insbesondere auf der Ebene [[Morphosyntax]]) gemeinsam haben, während ihr Wortschatz größtenteils auf die Sprache der Kolonisatoren (Lexifier-Sprache) zurückzuführen ist (vgl. Patzelt 2014: 677).<br />
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== Geographische Verbreitung ==<br />
<br />
Wichtige spanisch-basierte Kreolsprachen (d.h. mit Spanisch als Lexifier-Sprache) sind das [[Chabacano]] auf den Philippinen, das [[Palenquero]] in Teilen Kolumbiens und das iberoromanisch-basierte [[Papiamentu]] auf den niederländischen Antillen (vgl. Eckkramer 2013: 51). Bei den französisch-basierten Kreolsprachen lassen sich zwei große Gebiete unterscheiden: die Karibik mit den Kreolsprachen auf Haiti, den Kleinen Antillen und in Louisiana (USA) sowie der indische Ozean mit den Kreolsprachen auf den Seychellen, Réunion und Mauritius. Das [[Haitianisch]]e bildet mit 7 Millionen Sprecher:innen die größte Kreolsprecher:innengemeinschaft weltweit (vgl. Bollée 2002: 130). Ebenso sind Englisch, Portugiesisch und Niederländisch häufige Lexifier, aus denen sich Kreolsprachen entwickelt haben. Einen Überblick über die verschiedenen Kreolsprachen der Welt sowie ihre grammatischen Merkmale bietet der ''Atlas of Pidgin and Creole Language Structures'' ([https://apics-online.info APiCS]) (vgl. Haspelmath u.a. 2013).<br />
<br />
== Grammatische Merkmale ==<br />
<br />
Charakteristisch für zahlreiche Kreolsprachen (unabhängig vom Lexifier) ist das Vorhandensein bestimmter grammatischer Merkmale. Dazu gehören der Ausdruck der Kategorien [[Tempus]], [[Modus]] und [[Aspekt]] durch (oft präverbale) Partikeln (sog. TAM-Marker), die kaum vorhandene flexionale Affigierung sowie die Satzgliedstellung Subjekt-Prädikat-Objekt (vgl. Mutz 2017: 40, Patzelt 2014: 677). Im nachfolgenden haitianischen Beispiel (1) (nach Fattier 2013) wird der imperfektive Aspekt durch den Marker ''ap'' und das Tempus Futur durch den Marker ''va'' angezeigt. Die Verben ''manje'', ''fini'' und ''ale'' tragen keine Flexionsaffixe. <br />
<br />
(1) M ap manje lè m fini m va ale.<br />
1.SG IPFV essen wenn 1.SG beenden 1.SG FUT gehen<br />
‘Ich esse gerade. Wenn ich fertig bin, werde ich gehen.’<br />
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== Hypothesen zur Genese der Kreolsprachen ==<br />
<br />
Die Frage nach der Entstehung der Kreolsprachen ist nicht eindeutig beantwortet. Traditionell wurden Kreolsprachen als grammatisch stark vereinfachte Formen des Lexifiers gesehen, die sich durch Nativisierung eines [[Pidgin]]s (Ein Pidgin ist eine für einen konkreten Zweck bestimmte Kontaktvarietät.) entwickelt haben. Ihre Abgrenzung von anderen Kontaktvarietäten anhand sprachinterner Kriterien ist schwierig, weshalb vor allem der besondere Entstehungskontext der Kolonialisierung und des starken sozialen Gefälles zwischen der dominierenden und der dominierten Gruppe als sprachexternes Kriterium herangezogen wird. Auch ihre typologische Einordnung als Sprache aus der Familie des Lexifiers oder eigener Sprachtyp ist umstritten (vgl. Ludwig 2003: 298). Zur Kreolgenese werden im Wesentlichen die nachfolgenden Ansätze diskutiert, zu denen Mutz (2017) einen Überblick in Bezug auf die französisch-basierten Kreolsprachen gibt.<br />
<br />
=== Monogenetische Theorien ===<br />
<br />
Bei den monogenetischen Ansätzen wird davon ausgegangen, dass die Kreolsprachen unterschiedlicher Lexifier aufgrund der strukturellen Ähnlichkeiten auf eine gemeinsame Ursprungssprache zurückgehen. Hierfür käme nach Whinnom ein portugiesisch-basiertes ''Protokreol'' in Frage (vgl. Whinnom 1956). <br />
<br />
=== Substrattheorie ===<br />
<br />
Die Substrattheorie nimmt an, dass Kreolsprachen durch [[Relexification|Relexifizierung]] (mit dem Vokabular des Lexifiers) einer (westafrikanischen) [[Substratum|Substratsprache]] entstanden sind. Die grammatischen Strukturen würden größtenteils auf dem Substrat basieren (vgl. Sylvain 1979, Lefebvre 2011: 127). Sylvain beschreibt die Entstehung des Haitianischen durch französische Relexifizierung eines afrikanischen Substrats folgendermaßen: <br />
<br />
<blockquote><q>Nous sommes en présence d’un français coulé dans le moule de la syntaxe africaine ou, comme on classe généralement les langues d’après leur parenté syntaxique, d’une langue éwé à vocabulaire français</q> (Sylvain 1979: 178). (Eigene Übersetzung: <q>Wir haben es hier mit einem in die Form der afrikanischen Syntax gegossenen Französisch zu tun, oder, da man Sprachen allgemein nach ihrer syntaktischen Verwandtschaft klassifiziert, mit einer Ewe-Sprache mit französischem Vokabular.</q>)</blockquote><br />
<br />
=== Polygenetische Theorien / Superstrattheorie ===<br />
<br />
Die polygenetischen Ansätze nehmen an, dass Kreolsprachen nicht nur im Wortschatz, sondern auch in der Grammatik zu großen Teilen auf die Sprache der dominierenden Gruppe (= [[Superstratum|Superstratsprache]]) zurückzuführen sind. Chaudenson unterscheidet dabei zwei Phasen der Kreolisierung (in Bezug auf französisch-basierte Kreolsprachen im indischen Ozean): In der ersten Phase (''société d’habitation''/Wohngemeinschaft) ist die Zahl der Arbeiter (zumeist Sklaven) und Kolonisatoren ausgeglichen, sodass die Sklaven direkten Zugang zur dominierenden Sprache erhalten. In der zweiten Phase (''société de plantation''/Plantagengesellschaft) kommen viel mehr neue Sklaven für die Arbeit auf den Plantagen an, sodass sie den Kolonisatoren zahlenmäßig überlegen sind. Das hat zur Folge, dass die neu Ankommenden keinen direkten Zugang zur dominierenden Sprache haben, sondern v.a. zu den Lernervarietäten der Sklaven aus Phase 1. Sie bilden neue Approximationen des Lexifiers, welche ihre in den Kolonien geborenen Kinder als Muttersprache erwerben. Ein zentraler Punkt von Chaudensons Theorie ist, dass es somit keinen Bruch in der Weitergabe des Lexifiers und kein Pidgin-Stadium gibt (vgl. Chaudenson 1992).<br />
<br />
=== Universalientheorie ===<br />
<br />
Die Universalien-Theorie geht davon aus, dass universelle Mechanismen des Zweitspracherwerbs bei der Kreolgenese wirken und erklärt dadurch die strukturellen Ähnlichkeiten von Kreolsprachen unterschiedlicher Lexifier. Bickerton stellt auf Grundlage des Hawaiianischen die Theorie eines angeborenen ''Language Bioprogram'' auf, mit dem die Kinder der Sklaven das ihnen dargebotene Pidgin beim Erstspracherwerb zu einer komplexen Muttersprache umgebaut haben sollen (vgl. Bickerton 2016).<br />
<br />
== Weblinks ==<br />
<br />
* Atlas of Pidgin and Creole Language Structures (APiCS): https://apics-online.info (vgl. Haspelmath u.a. 2013)<br />
<br />
== Literatur ==<br />
<br />
* Bickerton, Derek. 2016. ''Roots of Language''. Berlin: Language Science Press. https://doi.org/10.26530/OAPEN_603354.<br />
* Bollée, Annegret. 2002. Pidgin- und Kreolsprachen auf französischer Basis. In Ingo Kolboom, Thomas Kotschi & Edward Reichel (Hrsg.), ''Handbuch Französisch. Sprache, Literatur, Kultur, Gesellschaft. Für Studium, Lehre, Praxis'', 121–127. Berlin: Erich Schmidt Verlag.<br />
* Chaudenson, Robert. 1992. ''Des îles, des hommes, des langues. Essais sur la créolisation linguistique et culturelle''. Paris: L’Harmattan.<br />
* Eckkramer, Eva. 2013. Kreolsprache. In Sandra Herling & Carolin Patzelt (Hrsg.), ''Weltsprache Spanisch. Variation, Soziolinguistik und geographische Verbreitung. Handbuch für das Studium der Hispanistik'', 43–56. Stuttgart: ibidem-Verlag.<br />
* Fattier, Dominique. 2013. Haitian Creole structure dataset. In Martin Haspelmath, Magnus Huber, Philippe Maurer & Susanne Michaelis (Hrsg.), ''Atlas of Pidgin and Creole Language Structures Online''. https://apics-online.info/contributions/49 (Zugriff: 27.12.2022). Leipzig: Max Planck Institute for Evolutionary Anthropology.<br />
* Haspelmath, Martin, Magnus Huber, Philippe Maurer & Susanne Michaelis. 2013. ''Atlas of Pidgin and Creole Language Structures Online''. https://apics-online.info (Zugriff: 27.12.2022). Leipzig: Max Planck Institute for Evolutionary Anthropology.<br />
* Lefèbvre, Claire. 2011. ''Creoles, their substrates and language typology''. Amsterdam: Benjamin.<br />
* Ludwig, Ralph. 2003. Geschichte der Reflexion über die romanischen Sprachen: Kreolsprachen. In Gerhard Ernst, Martin-Dietriich Gleßgen, Ralph Ludwig, Christian Schmitt & Wolfgang Schweickard (Hrsg.), ''Romanische Sprachgeschichte'', 297–309. Berlin/NewYork: De Gruyter.<br />
* Mutz, Katrin. 2017. Aktuelle Forschungsfragen der Kreolistik. In Peter Stein (Hrsg.), ''Kreolisch und Französisch'', 26–53. Berlin: De Gruyter.<br />
* Patzelt, Carolin. 2014. Les langues creoles à base française. In Johannes Kramer, Andre Klump & Aline Willems (Hrsg.), ''Manuel des langues romanes'', 677–700. Berlin: De Gruyter.<br />
* Sylvain, Suzanne. 1979. ''Le créole haïtien. Morphologie et syntaxe''. Genf: Slatkine Reprints.<br />
* Whinnom, Keith. 1956. ''Spanish Contact Vernaculars in the Philippine Islands''. Hong Kong: Hong Kong University Press.</div>NeleArnold