Missverständnis

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--GAnderson (talk) 03:55, 2 March 2014 (CET)

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Als Missverständnis wird eine Störung in der Kommunikation zwischen menschlichen Individuen bezeichnet, bei der eine Äußerung vom Empfänger anders interpretiert wird als vom Sender intendiert. Wird ein Missverständnis nicht rechtzeitig erkannt und korrigiert, kann dies weitreichende Folgen nach sich ziehen. --GAnderson (talk) 21:43, 19 February 2014 (CET)gen.


Abgrenzung

Missverständnisse sind abzugrenzen von anderen Formen kommunikativer Störungen

- andere Formen kommunikativer Störungen: akustisches Nicht-/Falsch-Verstehen, Unverständnis


(http://www.piwinger.de/aktuell/Missverstaendnisse.html)

Missverständnis vs. Unverständnis

Kommunikationsstörungen, die durch Faktoren wie etwa geminderte Hörfähigkeit oder Sprachschwierigkeiten eines oder mehrerer Kommunikationsteilnehmer, Umgebungslärm, Einschränkungen in Bildung oder Denkvermögen entstehen, fallen nicht unter die Begrifflichkeit "Missverständnis", sondern sind als Unverständis aufgrund mangelnder Verständigungsmöglichkeiten oder -Voraussetzungen zu werten (Bentele, Piwinger, Schönborn, 2001). Unverständnis betrifft relativ niedrige linguistische Verarbeitungsebenen und wird unmittelbar bemerkt, da es hier dem Empfänger einer Äußerung nicht gelingt, eine akzeptable Interpretation des Gesagten zu konstruieren. Missverständnisse hingegen werden erst mit, z.T. erheblicher, zeitlicher Verzögerung als solche identifiziert. Hier sind höhere linguistische Verarbeitungsebenen betroffen. Da akustische akustische Verarbeitung und semantische Interpretation einwandfrei funktionieren - letztere allerdings u.U. nur scheinbar - gelangen zunächst alle Interaktionspartner zu einer subjektiv als sinnvoll empfundenen Interpretation einer Äußerung.

(Bentele et al., 2001) weisen in diesem Zusammenhang darauf hin, dass der Prozess des "sich missverstehens" von dessen Resultat - dem eigentlichen Missverständnis - zu unterscheiden ist. Ein Missverständnis kann demnach nur entstehen, wenn die Interaktionsteilnehmer nicht rechtzeitig bemerken, dass ein Prozess des "sich missverstehens" im Gange ist. Solange dieser Prozess nicht abgeschlossen ist, kann noch korrigierend eingegriffen werden.

Egbert (2009) fasst Missverständnisse als entfernte Selbst- und Fremdreparaturen auf, da zwischen Problemquelle (der missverstandenen Äußerung) und Initiierung der Reparatur (Entdeckung des Missverstännisses) mindestens ein Turn liegt und ein Sprecherwechsel stattfindet.

Missverständnis vs. Missverstehen

(Bentele et al., 2001) weisen darauf hin, dass der Prozess des "sich missverstehens" von dessen Resultat - dem eigentlichen Missverständnis - zu unterscheiden ist. Ein Missverständnis kann demnach nur entstehen, wenn die Interaktionsteilnehmer nicht rechtzeitig bemerken, dass ein Prozess des "sich missverstehens" im Gange ist. Solange dieser Prozess nicht abgeschlossen ist, kann noch korrigierend eingegriffen werden.

Der Prozess des "sich missverstehens", so er denn erkannt wird, bietet den Handelnden noch die Chance, korrigierend einzugreifen. Beim Missverständnis dagegen ist der Prozess bereits abgeschlossen und wird im Nachhinein als Fehler enttarnt.

Entstehung von Missverständnissen

Missverständnisse entstehen auf höheren linguistischen Verarbeitungsebenen oder auch durch nicht-linguistische Einflussfaktoren, wie etwa unterschiedliches Weltwissen der Interaktionspartner. Ein erhöhtes Risiko für das Auftreten von Missverständnissen besteht scheinbar bei Aufeinandertreffen von Menschen aus unterschiedlichen sozialen Gruppen, die sich etwa im Hinblick auf Herkunftsregion, Alter und Geschlecht unterscheiden (Tannen, 1985). Missverständnisse unter Menschen derselben sozialen Gruppe lassen sich laut Schlegloff (1987a) häufig, jedoch nicht ausschließlich auf eine von zwei Hauptgruppen von Problemquellen zurückführen: problematic reference und problematic sequential implicativeness. Bei einer problematic reference wird nur ein Teil einer Äußerung missverstanden - etwa fehlinterpretiert, worauf sich die Frage "Welche?" bezieht. Eine problematic sequential implicativeness hingegen liegt vor, wenn beim Interpretieren einer Äußerung eine falsche Handlungsintention unterstellt wird - etwa ein Witz als Ernst oder eine sachliche Bemerkung als Beschwerde aufgefasst wird.

Piwinger und Christoffel(2001) stellen fest, dass Missverständnisse sich im Hinblick auf das Vorliegen oder die Abwesenheit kommunikativer Versäumnisse bei ihrer Entstehung kategorisieren lassen. Dementsprechend unterscheiden sie vier Haupttypen von Missverständnissen: Unbeabsichtige, zufällige, leichtfertige und beabsichtigte Missverständnisse. Bei den ersten beiden Typen sind beide Kommunikationsteilnehmer um störungsfreie Kommunikation bemüht und beachten dementsprechend kommunikative Grundregeln; zu Fehlinterpretationen kommt es es entweder durch unterschiedliches Hintergrundwissen (unbeabsichtigtes Missverständnis) oder abweichende Begriffsverwendung (zufälliges Missverständnis). Leichtfertige Missverständnisse hingegen entstehen, wenn die Interaktionspartner zwar eine störungsfreie Kommunikation beabsichtigen, jedoch unpräzise Signale senden oder es versäumen, sich gegenseitig das Verständnis einer Äußerung zu bestätigen. Beabsichtigte Missverständnisse schließlich werden von einem Interaktionspartner durch vorsätzliche Ungenauigkeiten provoziert, um daraus einen Vorteil zu ziehen.

Arten von Missverständnissen

unbeabsichtigte Missverständnisse

Charakterisierung:A und B sind bemüht, sich gegenseitig zu verstehen, senden scheinbar eindeutige Signale und bestätigen sich gegenseitig deren Verständnis. Beiderseitiger Wille und Botschaft stimmen überein.

Hier sind alle Kommunikationspartner bemüht, eindeutige Signale zu senden.

Beispiel:

Zwei Personen unterhalten sich über den "letzten Film" eines bekannten Schauspielers. Da Person A jedoch die Filmographie dieses Schauspielers nicht exakt kennt, hält sie einen falschen Film für den letzten. A und B sprechen also über zwei völlig verschiedene Filme.

leichtfertige Missverständnisse

Charakterisierung: A und B sind bemüht, sich gegenseitig zu verstehen, senden aber nicht ganz eindeutige Signale und/oder nehmen sich zu wenig Zeit, deren Verständnis gegenseitig zu bestätigen. Beiderseitiger Wille und Botschaft stimmen überein.

Hier bemühen sich beide Sprecher um gegenseitiges Verständnis; die gesendeten Signale sind jedoch uneindeutig und/oder es wird versäumt, das Verständnis des Geäußerten zu bestätigen.


zufällige Missverständnisse

Zu dieser Art von Missverständnis kommt es, wenn einer der Gesprächsteilnehmer einen Begriff mit einem abweichenden Wissenshintergrund benutzt. Obwohl beide Gesprächspartner bemüht sind, sich zu verständigen, kommt es durch die unterschiedliche Begriffsverwendung zu unterschiedlichen Interpretationen der Äußerung.

Beispiel: A bewundert den Ideenreichtum von B und bezeichnet B deshalb als "einfältig" - in der Annahme, dieses Adjektiv sei von "einfallen" abgeleitet. B jedoch kennt die tatsächliche Bedeutung des Wortes und interpretiert die Äußerung von A deshalb als Beleidigung.


beabsichtigte Missverständnisse

Diese Art von Missverständnis wird von einem der Gesprächsteilnehmer bewusst provoziert, um zunächst eine Zusicherung geben zu können, welche mit einer Gegenleistung honoriert wird - diese aber später nicht einhalten zu müssen. Die Zusicherung wird hierzu absichtlich so formuliert, dass das Gegenüber sie "falsch" interpretiert.

Beispiel: Ein Geiselnehmer verspricht, bei Zahlung einer bestimmten Summe die Geisel freizulassen. Nach Zahlung des Lösegeldes wird die Befreiung der Geisel verweigert - mit der Begründung, dass Zeit und Ort der Freilassung nicht festgelegt worden seien.

Reparaturmechanismus

(Dass eine Äußerung vom Empfänger anders aufgefasst wurde als vom Sender intendiert, kann nur indirekt aus dem - sprachlichen oder nicht-sprachlichen - Handeln eines Kommunikationspartners geschlossen werden. )Im Verlauf einer Unterhaltung bildet jeder Kommunikationsteilnehmer auf eine Art mentales Modell der bereits kommunizierten Inhalte aus, das durch die Interpretation der jeweils letzten Äußerung fortlaufend aktualisiert wird. Zu jedem Zeitpunkt der Unterhaltung werden aus diesem Modell unbewusst Erwartungen an das weitere Verhalten der anderen Kommunikationsteilnehmer abgeleitet. Aus diesem Modell werten Erwartungen Weicht dieses von den Erwartungen ab, die das Gegenüber aufgrund der Interpretation des bisherigen Kommunikationsverlaufs ausgebildet hat, wird das Missverständnis entdeckt. Somit muss zwischen Entstehung und Entdeckung eines Missverständnisses mindestens ein Turn liegen. Der frühestmögliche Zeitpunkt, zu dem ein Missverständnis als solches erkannt werden kann, ist die erste sprachliche oder nicht-sprachliche Reaktion des Empfängers auf die missverstandene Äußerung. Einen spätestmöglichen Zeitpunkt gibt es hingegen - zumindest theoretisch - nicht. Das Vorliegen eines Missveständnisses wird s kann jedoch erheblich als solches erkannt und eine Reparatur eingeleitet wird, Im Verlauf eines Gesprächs bildet jeder Interaktionspartner eine Art mentales Modell Die Diskrepanz zwischen der Interpretation des Empfängers und der Intention des Sprechers wird erst manifest, wenn das Verhalten eines Interaktionspartnerst dem aktuellen Diskurszustand des Gegenübers in Einklang zu bringen ist. eine Art mentales Modell jedes Teilnehmers von dem aktuellen Zustand der kollaborativen Aufgaben und der Kommunikation darüber)(Thurn, Manuel 2002)]]

Folgen von Missverständnissen

- Unternehmungen scheitern

- Streitigkeiten

- Betrugs-/Täuschungsvorwürfe

Missverständnisse können weitreichende Konsequenzen nach sich ziehen. Wie schwerwiegend diese sind, hängt zum Einen davon ab, welche Inhalte eines Gespräches missverstanden wurden. Missverstehen sich zwei Menschen beispielsweise hinsichtlich Zeitpunkt und/oder Treffpunkt für eine Verabredung, wird diese u.U. nicht stattfinden - was, je nach Zweck der gescheiterten Verabredung und Verhältnis der Beteiligten zueinander womöglich für einen oder beide negative Auswirkungen geschäftlicher oder persönlicher Natur haben kann.

Unter Rückgriff auf Searles Klassifikation von Sprechakten ließe sich die Vermutung aufstellen, dass sich schwerwiegende Folgen insbesondere aus solchen Missverständnissen ergeben, die kommissive oder direktive Sprechakte betreffen. Als direktive Sprechakte werden Äußerungen bezeichnet, die den Rezipienten einer Äußerung zu einer Handlung bewegen bzw. von einer Handlung abhalten sollen - also etwa Bitten, Verbote oder auch Befehle. Kommissive Sprechakte hingegen legen den Sprecher selbst auf eine Handlung oder Unterlassung fest. Das oben genannte Beispiel einer Verabredung ließe sich als kommissiver Sprechakt begreifen, sowie auch Angebote, Versprechungen und Vereinbarungen. In der Theorie von Searle verbindet beide Formen - die direktiven und den kommissiven Sprechakten - ihre "Welt auf Wort"-Ausrichtung. Beide zielen darauf ab, dass sich die Welt nach den gesprochenen Worten ausrichtet bzw. die gesprochenen Worte eine Veränderung in der Welt bewirken. Ausrichtung n der Theord.h. Sprechakte, welche die Welt nach den Worten ausrichten. Bedeutsam ist zudem, wann die Interaktionspartner das Vorliegen eines Missverständnisses bemerken. Je früher dies geschieht, desto geringer fallen i.d.R. die kommunikativen Behinderungen aus. "Illokution mit Ausrichtung Welt auf Wort" (Kommissiva, Direktiva)

Strategien zur Vermeidung von M.

- bei Unsicherheit nachfragen

- insbes. bei Verabredungen etc. noch einmal wiederholen/zusammenfassen

- möglichst präzise Formulieren

- Wissensstand des Partners berücksichtigen

Menschliche Kommunikation vollständig störungsfrei zu gestalten, erscheint angesichts ihrer hohen Komplexität schwer realisierbar. Durch Berücksichtigung einiger kommunikativer Grundregeln lassen sich jedoch manche Missverständnisse vermeiden und die Folgen auftretender Missverständnisse begrenzen.

So sollte bei Unsicherheit darüber, wie eine bestimmte Äußerung aufzufassen ist, vom Empfänger nachgefragt werden. Um dem Sender der uneindeutigen Äußerung deren Desambiguierung zu erleichtern, können dabei vom Empfänger die aus seiner Sicht denkbaren Interpretationsmöglichkeiten genannt werden. So erhält der Sender eine Rückmeldung darüber, wie seine Äußerung aufgefasst wurde und kann entweder eine der Interpretationsmöglichkeiten als zutreffend identifizieren oder seine Äußerung unter Berücksichtigung des aktuellen state of mind des Empfängers reformulieren.

Literatur

Bentele, Günter/ Piwinger, Manfred/ Schönborn, Gregor (Hrsg.). Kommunikationsmanagement. Strategien. Wissen. Lösungen. 2001 ff. (Losebl.) , Art. Nr. 8.04, Kriftel/ Neuwied

Egbert, Maria (2009). Der Reparaturmechanismus in deutschen Gesprächen. Mannheim: Verlag für Gesprächsforschung.

Kintsch, W. (1988). The role of knowledge in discourse comprehension: A construction-integration model. Psychological Review, 95, 163-182

Schlegloff, E.A. (1987a): Recycled Turn Beginnings: A precise Repair Mechanism in Conversation's Turn-taking Organisation. In: G. Button/J.R.E. Lee (Eds.). Talk and Social Organization. Clevedon, Multilingual Matters, 70-85.

Schlegloff, E. A. (1992): Repair after Next Turn: The last structurally provided Defense of Intersubjectivity in Conversation. In: American Journal of Sociology 97(5), 1295-1345.

Searle, John R. (1975), “A Taxonomy of Illocutionary Acts”, in: Günderson, K. (ed.), Language, Mind, and Knowledge, (Minneapolis Studies in the Philosophy of Science, vol. 7), University of Minneapolis Press, p. 344-69