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Das Kolyma-Jukagirische ist eine der beiden noch existierenden jukagirischen Sprachen. Sie wird von ca. 50 Sprechern (Stand 1992) in Jakutien (Rußland) gesprochen.

Genealogie

Das Jukagirische mit seinen beiden Vertretern, dem Kolyma-(bzw. Süd-) und dem Tundra-(bzw. Nord-)Jukagirischen gilt traditionell als isolierte Familie. Es gibt jedoch Ansätze, es etablierten Gruppen zuzuordnen, insbesondere den uralischen Sprachen. Näheres hierzu siehe Jukagirische Sprachen.
Die beiden jukagirischen Sprachen wurden zumeist als Dialekte klassifiziert; angesichts der großen Unterschiede und der gegenseitigen Unverständlichkeit werden sie jedoch zunehmend als separate Sprachen angesehen.

Soziolinguistische Situation

Stand 1987

Das Kolyma-Jukagirische wird von 50 Sprechern in vier Siedlungen am Oberlauf der Kolyma (Rußland) gesprochen; mit 29 hat Nelemnoje (Jakutien) die größte Anzahl an Sprechern, weitere Sprecher finden sich in Syrjanka (Jakutien) sowie Sejmtschan und Balygytschan (Region Magadan).

Alle Einwohner Nelemnojes sprechen Russisch und viele ebenfalls Jakutisch; 133 (54%) von ihnen sind zwar Jukagiren, von diesen sprechen jedoch nur 29 Jukagirisch, und nur 9 nennen es als erste Sprache. Die größten Sprachkenntnisse gibt es in der alten Generation; das Durchschnittsalter der nelemnojer Jukagirischsprecher liegt bei 63 Jahren. Seit 1985 wird Jukagirisch zwar an der Schule gelehrt, aber der Erfolg scheint gering.

Phonologie

Konsonanten

  bilabial dental palatalo-
alveolar
palatal velar uvular
stl. sth. stl. sth. stl. sth. stl. sth. stl. sth. stl. sth.
Plosive Template:IPA-Text   Template:IPA-Text Template:IPA-Text         Template:IPA-Text Template:IPA-Text Template:IPA-Text  
Affrikaten             Template:IPA-Text Template:IPA-Text        
Frikative         Template:IPA-Text Template:IPA-Text           Template:IPA-Text
Nasale   Template:IPA-Text   Template:IPA-Text       Template:IPA-Text   Template:IPA-Text    
Vibranten       Template:IPA-Text                
laterale Approximanten       Template:IPA-Text       Template:IPA-Text        
Approximanten   Template:IPA-Text           Template:IPA-Text        


Vokale

  vorne zentral hinten
ung. ger. ung. ger. ung. ger.
geschlossen Template:IPA-Text         Template:IPA-Text
halbgeschlossen Template:IPA-Text Template:IPA-Text       Template:IPA-Text
offen     Template:IPA-Text      

Alle Vokale kommen sowohl kurz als auch lang vor; die langen Vokale /e/, /o/ und /ø/ werden auch als fallende Diphtonge [ie], [uo] und [uø] gesprochen.
Es existiert eine rudimentäre Vokalharmonie; die palatale Vokalharmonie kontrastiert i, e, ø und u mit a und o, die labiale führt zur Alternation von e und o.

Silbenstruktur

Die Silbenstruktur ist einfach; Silben haben die Struktur KV oder KVK, am Wortanfang auch V und VK. Stimmhafte Obstruenten am Wortanfang sind nicht möglich, am Silbenende werden sie neutralisiert (zu stimmhaften Obstruenten oder Sonoranten), zudem werden sie silbenanlautend nach (stimmlosen) Obstruenten assimiliert.
Mit zwei Strategien wird bei der Affigierung die Bildung von unzulässigen Silbenstrukturen verhindert: 1) Suffixe können in der Form K oder Ke auftreten, 2) es wird /u/ oder /l/ eingefügt.

Morphologie

Die Morphologie des Jukagirischen ist hauptsächlich agglutinierend und wird überwiegend durch Suffixe realisiert. Es gibt fünf Präfixe, die jedoch eine losere Bindung zum Stamm haben.

Die flektierbaren Wortarten im Jukagirischen sind Nomen und Verben; adjektivische Bedeutungen werden durch Verben ausgedrückt. Die zwei Wortarten lassen sich aufgrund ihrer Morphologie klar unterscheiden, es existieren jedoch zahlreiche Möglichkeiten, durch Derivation die Wortart zu wechseln.

Nomen

Nomen werden nach Numerus, Kasus und Possession (nur 3. Person) flektiert. Die Reihenfolge der Suffixe ist Plural-Possession-Kasus.

Plural

Der Pluralmarker ist -p(ul) bzw. -pe (die Verteilung der Allomorphe ist phonologisch bedingt). Bei zusätzlicher Possessiv-Markierung kann der Pluralmarker sich auf Possessor und/oder Possessum beziehen.

Possession

Der Possessivmarker ist -gi im Nominativ und -d(e) in allen anderen Kasus. Er bezieht sich auf eine NP, die entweder Attribut des Nomens ist oder außerhalb der NP steht, aber nicht das Subjekt sein darf.

Kasus

Es werden 9 Kasus unterschieden, und zwar Nominativ, Prädikativ, Akkusativ, Instrumental, Dativ, Lokativ, Ablativ, Prolativ und Komitativ.

Die Kasussuffixe sind folgende:

Kasus Suffix
Nominativ -
Prädikativ -lek
Akkusativ -gele
Instrumental -le
Dativ -ŋin
Lokativ -ge
Ablativ -get
Prolativ -gen
Komitativ -n'e

Zur Verwendung der Kasus siehe unter Syntax.

Derivation

Proprietiv

Mit dem Suffix -n'(e) wird von Nomen ein Verb mit der Bedeutung X besitzen abgeleitet.

(1) irk-i-n ado:-n'e-l'el-ŋi
ein-0-ATTR Sohn-PROPR-INFR-INTR.3PL
Sie hatten einen Sohn.

Proprietiv-Kausativ/Inchoativ

Das Suffix -d(e) (phonologisch bedingte Allomorphe -te und ) ist das kausative bzw. inchoative Gegenstück zum Proprietivsuffix mit der Bedeutung verursachen, daß jemand X hat (Bsp. (2)) bzw. X bekommen (Bsp. (3)).

(2) n'ied'e-te-j qodo el-noj-n'el šoromo noj-te-č-u-l
erzählen-FUT-INTR.3SG wie NEG-Bein-PROPR-AN Person Bein-PROPR.KAUS-iter-0-AN
Er wird erzählen, wie er beinlose Menschen mit Beinen versieht.
(3) tamun-ge taŋ paj nodo-pugelbie-de-j
jener-LOK jene Frau Vogel-Haar-PROPR.INCH-INTR.3SG
Dann bekam jene Frau Federn.

Verben

Finite Verben werden im Jukagirischen nach Tempus, Aspekt, Modus, Kongruenz (Person-Numerus-Kongruenz mit A/S) und Fokus flektiert, wobei zwei Klassen, nämlich intransitiv und transitiv, unterschieden werden. Außerdem existiert eine Vielzahl an infiniten Formen, und zwar Verbalnomen sowie Konverben (mit Referenzwechsel-Markierung).

Tempus, Aspekt, Modus

Die wichtigste Kategorie ist hier der Aspekt. Markiert werden können Imperfektiv, Habitualis, Ingressiv und Resultativ. In der Kategorie Tempus wird nur zwischen Futur und Nicht-Futur unterschieden, Vergangenheit wird oft mit dem Inferentialmarker ausgedrückt. Als Modusformen stehen Inferential, Prospektiv und Irrealis zur Verfügung.

Fokus

Das Jukagirische verfügt über ein Fokussystem, das es erlaubt, P- und S-Argumente zu fokussieren. Dazu wird die entsprechende Verbform verwendet und das fokussierte Argument in den Prädikativ gesetzt.
Zur morphologischen Realisierung siehe unter Kongruenz

Kongruenz

Die finiten Verben kongruieren mit dem Subjekt in Person (1., 2., 3.) und Numerus (Singular, Plural). Morphologisch interagiert die Kongruenz stark mit der Markierung von Transitivität und Fokus, daher seien diese drei Kategorien zusammen an den Verben modo- (sitzen) und a:- (machen) veranschaulicht:

intransitiv transitiv
normal S-Fokus normal P-Fokus
1SG modo-je modo-l a: a:-me
2SG modo-je-k modo-l a:-mek a:-me
3SG modo-j modo-l a:-m a:-me-le
1PL modo-je-jl'i modo-l a:-j a:-l
2PL modo-je-met modo-l a:-met a:-met
3PL modo-ŋi modo-ŋi-l a:-ŋa: a:-ŋi-le

Valenzerweiternde Derivationen

Bei den valenzerweiternden Derivationen wird der Argumentstruktur des Verbs eine Argumentstelle hinzugefügt; wird die Valenz eines intransitiven Verbs erhöht, so wird es fortan mit den Suffixen für transitive Verben flektiert.

Kausativ

Der reguläre Kausativ wird mit dem Suffix gebildet. Er ist auf intransitive und transitive Verben anwendbar und fügt einen Kausator als neues Subjekt hinzu. Das zuvor einzige Argument eines intransitiven Verbes erscheint dann als direktes Objekt (siehe (4)), bei transitiven Verben erschient das Kausatum als indirektes Objekt im Dativ (wie in (6)), das Patiens bleibt direktes Objekt (siehe (5)).

(4) ninge-j šoromo-k ahurpe-š-me.
viele-ATTR Person-PRÄD leiden-KAUS-1SG:PF
Ich fügte vielen Menschen Leid zu.
(5) los'il-ek čine-š-nu-l'el-ŋile
Feuerholz-PRÄD hacken-KAUS-IPFV-INFR-3PL:PF
Man ließ (sie) Feuerholz hacken.
(6) tamun-ŋin eškeri-š-l'el-ŋa:
jener-DAT angreifen-KAUS-INFR-TR.3PL
Sie befahlen ihm anzugreifen.

Zweiter Kausativ

Das Suffix -čil'e kann an bereits mit kausativierte Verben angefügt werden. Die Bedeutung ist dann ein indirekteres Verursachen (z.B. juø - sehen, juø-š - zeigen, juø-š-čil'e - (aus Versehen) sehen lassen). Bei ursprünglich intransitiven Verben kann optional Valenzerweiterung (Hinzufügen eines weiteren Kausators wie in Bsp. (8)) erfolgen.

(7) čaqe-lek al'a:-š-mele
gefrorener.Fisch-PRÄD tauen(INTR)-KAUS-3SG.PF
Er taute gefrorenen Fisch auf.
(8) met taŋ šoromo-ŋin čaqe-lek al'a:-š-čil'e-me
ich jene Person-DAT gefrorener.Fisch-PRÄD tauen(INTR)-KAUS-KAUS-1SG.PF
Ich bat den Mann, gefrorenen Fisch aufzutauen.

Applikativ

Der Applikativ wird mittels der Suffixe -re oder -ri: gebildet und fügt der Argumentstruktur ein direktes Objekt hinzu. Er ist auf wenige Verben beschränkt, die Bedeutung ist vom jeweiligen Verb abhängig und kann nicht anderweitig erschlossen werden.

(9) tet-kele pietur-die-gele jaqte-ri:-m irk-in markil'
du-AKK P.-DIM-AKK singen-APPL-TR.3SG eins-ATTR Mädchen
Ein Mädchen sang über dich und Peter
(10) qan'il met-kele kimda:n'e-ri:-l'el-u-m
Adler ich-AKK lügen-APPL-INFR-0-TR.3SG
Der Adler scheint mich belogen zu haben.

Valenzvermindernde Derivationen

Bei den valenzvermindernden Derivationen wird in der Argumentstruktur des Verbs eine Argumentstelle getilgt; hat das derivierte Verb nur noch ein Argument, werden die Marker für intransitive Verben verwendet.

Deobjektiv

Durch den Deobjektiv, der mit den Suffixen -d'(e), -že und -de (lexikalisch bedingte Allomorphie) gebildet wird, wird das direkte Objekt eines transitiven Verbs getilgt. Die Bedeutung variiert und reicht von Situationen, in denen es kein Patiens gibt (wie in (11)), über Antipassiv bis zu Medium/Reflexiv (wie in (12)).

(11) touke a:j oj-d' -a:-j
Hund wieder anbellen-DEOBJ-INGR-INTR:3SG
Der Hund begann wieder zu bellen.
(12) ta:t tude šøštok-ke n'igi-že-t modo-j
also sein Posten-LOK wärmen-DEOBJ-SS.IPFV sitzen-INTR:3SG
Also saß er auf seinem Posten und wärmte sich.

Resultativ

Der Resultativ wird mit dem Suffix -o: (welches vom Kopulaverb o:- abeleitet ist) gebildet. Er bezeichnet den Zustand, der aus der Ausführung des durch das Verb bezeichneten Ereignisses resultiert. Er tritt bei intransitiven Verben (keine Valenzveränderung) und transitiven Verben (Tilgung des Agens) auf, bezieht sich also auf S (Bsp. (13)) oder P (Bsp. (14)).

(13) amd-o:-t qodo:-j
sterben-RES-SS.IPFV liegen-INTR:3SG
Er lag tot da.
(14) unuŋ šaide tob-o:-j
Fluß quer.über schließen-RES-INTR:3SG
Der Fluß ist versperrt.

Reflexiv

Reflexivierung wird durch das Präfix met- ausgedrückt.

(15) met joul'e-t met-emtedej-s'e
ich krank.sein-SS.IPFV REFL-behandeln-INTR:1SG
Ich bin krank und behandele mich selbst.

Reziprok

Reziprok wird mit dem Präfix n'e- gebildet, dabei wird das direkte Objekt (siehe (16)) oder das indirekte (siehe (17)) getilgt. Zusätzlich kann wie in (19) ein Reziprokpronomen verwendet werden. Bei ursprünglich ditransitiven Verben tritt in der Regel die transitive Verbflexion auf, es kann aber auch die intransitive vorkommen.
Der Reziprokmarker hat sich vermutlich erst kürzlich aus einem freien Element gebildet, vgl. die Homonymie mit Komitativsuffix und Reziprokpronomen.

(16) odu-pe kukujerd'i-pe-n'e n'e-lejtej-ŋi
Jukagire-PL Ewene-PL-KOM REZP-treffen-SS.PFV REZP-lernen-INTR:3PL
Jukagiren und Ewenen trafen einander und lernten sich kennen.
(17) legul-ek n'e-kes'i-l
Essen REZP-bringen-1PL.PF
Wir brachten einander Essen.
(18) mit nier-pe n'e-kes'i-ji:l'i
unsere Kleider-PL REZP-bringen-INTR:1PL
Wir brachten uns unsere Kleider.
(19) tittel n'e-laŋi n'e-mon-ŋi ...
sie einander-DIR REZP-sagen-INTR:3PL
Sie sagten zueinander: ...


Syntax

Argumentkodierung

Die Kernargumente eines Satzes werden im Jukagirischen nach einem Akkusativmuster markiert, wobei das Patiens in verschiedenen Kasus erscheinen kann (s.u.). Außerdem können Patiens und Argument eines intransitiven Verbs fokussiert werden und erscheinen dann im Prädikativ. Das indirekte Objekt steht im Dativ.

Differentielle Objektmarkierung

Das direkte Objekt kann, von der Fokuskonstruktion abgesehen, in vier verschieden Kasus erscheinen:

  • Nominativ: Wenn das Subjekt 1. oder 2. Person ist, und das Objekt 3.
  • Pronominaler Akkusativ: Wenn sowohl Subjekt als auch Objekt 1. oder 2. Person sind.
  • Akkusativ: Wenn das Objekt definit ist.
  • Instumental: Wenn das Objekt indefinit ist.


Abkürzungen

A Agens-Argument im transitiven Satz
AKK Akkusativ
AN Aktionsnomen
APPL Applikativ
ATTR Attributivform
DAT Dativ
DETR Detransitiv
DIM Diminutiv
FUT Futur
INFR Inferential
INGR Ingressiv
INSTR Instrumental
INTR Intransitiv
IPFV Imperfektiv
KAUS Kausativ
KOM Komitativ
LOK Lokativ
PF P-Fokus
P Patiens-Argument im transitiven Satz
PL Plural
PRÄD Prädikativ
PROPR Proprietiv
RES Resultativ
REZP Reziprok
S Subjekt eines intransitiven Satzes
SF S-Fokus
SS Selbes Subjekt
TR Transitiv

Literatur

  • Maslova, Elena: A Grammar of Kolyma Yukaghir, Mouton de Gruyter, Berlin, 2003
  • Maslova, Elena: Reciprocals in Yukaghir, erscheint in: Vladimir P. Nedjalkov (Hrsg.): Typologie of reciprocal Constructions. Aufsatz als PDF

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