Difference between revisions of "Antipassiv"

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* Silverstein, Michael. 1976. ''Hierarchy of Features and Ergativity''. In: Dixon, Robert M.W. (ed.). Grammatical Categories in Australian Languages. Canberra: Australian Institute of Aboriginal Studies. pp. 112-171.
 
* Silverstein, Michael. 1976. ''Hierarchy of Features and Ergativity''. In: Dixon, Robert M.W. (ed.). Grammatical Categories in Australian Languages. Canberra: Australian Institute of Aboriginal Studies. pp. 112-171.
 
* Whaley, Lindsay J. 1997. ''Introduction to Typology: The Unity and Diversity of Language''. Thousand Oaks, California: Sage Publications.
 
* Whaley, Lindsay J. 1997. ''Introduction to Typology: The Unity and Diversity of Language''. Thousand Oaks, California: Sage Publications.
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Latest revision as of 02:05, 6 August 2007

Allgemeines

Das Antipassiv ist eine valenzsenkende Konstruktion, die die Zentralität eines verbalen Arguments (des Patiens) mindert, indem der syntaktische Status heruntergestuft wird. In der Antipassivkonstruktion wird dieses Argument als Obliquus realisiert oder verdrängt. Gleichzeitig wird das Verb detranstiviert. Ein antipassives Verb ist deriviert vom entsprechenden transitiven Verb (markiert durch Antipassivmarker oder Detransitivierer).

Die eindeutigsten Antipassivbeispiele gibt es in Ergativsprachen, d.h. in denen es einen morphologischen Absolutiv-Kasus gibt.

Der Begriff

Der Begriff Antipassiv wurde von Silverstein (1976) eingeführt, um zu verdeutlichen, dass die Konstruktion spiegelbildlich zum Passiv funktioniert. Der Unterschied zum Passiv ist, dass nicht das Subjekt (A-Argument) eines transitiven Satzes sondern das Objekt (P-Argument) getilgt oder in eine oblique Position zurückgestuft wird.

Passiv: A → Ø, PS

Antipassiv: AS, P → OBL/Ø

Schema

Aktiv

semantische Rolle Agens Patiens
syntaktische Funktion Subjekt Objekt


Antipassiv

semantische Rolle Agens Patiens
syntaktische Funktion Subjekt Obliquus


Hauptunterteilung im Bezug auf das P-Argument in Antipassivkonstruktionen

Das P-Argument wird entweder nicht ausgedrückt oder durch den Obliquus ausgedrückt.

Anzahl untersuchter Sprachen
Antipassiv mit getilgtem P-Argument
18
Antipassiv mit P-Argument, durch Obliquus ausgedrückt
30
Kein Antipassiv
146
gesamt
194

(Polinsky 2005)

Das Antipassiv mit einem Obliquus scheint weiter verbreitet zu sein als das Antipassiv mit getilgtem Argument.

Objektherabstufung/-tilgung

Funktion

In nicht-Ergativsprachen dient sie im wesentlichen derselben Funktion wie das Antipassiv:

  • Objektherabstufung senkt die Zentralität eines P-Arguments.
  • Sie wird von einigen Linguisten tatsächlich als Typ Antipassivierung betrachtet.
  • Der wesentliche Unterschied zwischen Objektherabstufung/-tilgung und Antipassiv ist (wenn z.B. beide in einer Sprache auftreten), dass beim Antipassiv das Verb einen Antipassiv- oder Intransitivmarker hat, wohingegen bei Objektherabstufung/-tilgung kein solcher Marker auftritt.

Beispiele

Beispiele aus dem Deutschen (Indo-Europäisch)

transitiv

1a HansNOM erwartet GreteACC.
A P

Herabstufung

1b HansNOM wartet auf GreteOBL.
S OBL

In Beispiel 1b wird das oblique Argument als Präpositionalobjekt realisiert.


transitiv

2a Das MädchenNOM liest ein BuchACC.
A P

Tilgung

2b Das MädchenNOM liest.
S

In Beispiel 2b wird das P-Argument getilgt. Der Kasus des Subjekts ändert sich jedoch nicht.

Der Wechsel von Transitiv zu Antipassiv ist offensichtlicher in Ergativsprachen, da hier der Antipassiv eine Veränderung der Kasusmarkierung (des Subjekts) mit sich bringt (ERG → ABS).

Beispiel aus dem Englischen (Indo-Europäisch)

transitiv

3a The hunter shot the deer.
'Der Jäger erschoss den Hirsch.'

Herabstufung

3b The hunter shot at the deer.
'Der Jäger schoss auf den Hirsch.'

Tilgung

3c The hunter shot.
Der Jäger schoss.

In Beispiel 3a ist das Objekt von der Handlung betroffen. In Beispiel 3b ist es weniger betroffen, da nicht sicher ist, ob der Hirsch vom Schuss getroffen wurde. In Beispiel 3c ist die Identität des Obliquus völlig irrelevant.

Antipassiv in Ergativsprachen

Das Antipassiv ist eine Detransitivierunsstrategie in Ergativsprachen, wird analog zum Passiv in Akkusativsprachen gesehen. Antipassivkonstruktionen treten hauptsächlich in Ergativsprachen auf.

Kasusschema

transitiv
antipassiv
A (Ergativ)
S (Absolutiv [oder Nominativ])
P (Absolutiv)
(Obliquus)

Beispiele aus Ergativsprachen

Beispiel aus Yup’ik (Eskimo-Aleut, USA)

transitiv

4a Yero-m keme-q nere-llru-a.
Yero-ERG Fleisch-ABS essen-PST-3SG
A P
'Yero aß das Fleisch.'

antipassiv

4b Yero-q (kemer-meng) nere-llru-u-q.
Yero-ABS (Fleisch-INS) essen-PST-INTRNS-3SG
S (Obliquus)
'Yero aß (Fleisch).'

In der zugrundeliegenden transitiven Konstruktion wird das P-Argument als direktes Objekt im Absolutiv realisiert. Im Antipassiv-Beispiel erscheint der Patiens ‚kemermeng’ im Instrumental, das Verb hat das Intransitivsuffix –u und der Agens steht im Absolutiv. Das oblique Argument kann auftreten, muss aber nicht.

Beispiel aus dem Chukchi (Chukotko-Kamtchatkan, Russland)

transitiv

5a ’aaček-a kimit’-ən ne-nl’etet-ən.
Jugendliche-ERG Last-ABS 3.PL.SUBJ-transportieren-AOR.3SG.OBJ
A P
'Die jungen Männer transportierten die/eine Last.'

antipassiv

5b ’aaček-ət ine-nl’etet-g’e-t kimit’-e.
Jugendliche-ABS ANTIP-transportieren-AOR.3SG.SUBJ-PL Last-INS
S (Obliquus)
'Die jungen Männer transportierten die/eine Last.'

In Beispiel 3a kongruiert das transitive Verb mit dem ergativen Subjekt und absolutiven Objekt. In Beispiel 3b kongruiert das Verb, mit dem Antipassivpräfix ine- markiert, nicht mehr mit dem Objekt. Das Objekt wird nun durch einen obliquuen Kasus (hier: Instrumental) ausgedrückt.

Das Antipassiv bewirkt hier die Änderung im Kongruenzmuster und außerdem die Änderung der Wortstellung.

In einigen Sprachen (z.B. Mayan) kann die Änderung der verbalen Kongruenz das einzige Zeichen für das Antipassiv sein.

Beispiele aus dem Tschetschenischen

transitiv

6a kiexat (d) as d-azdie-sh d-u.
1SG.ERG Brief(D).ABS D-schreiben-CVBsim D-COP
A P
'Ich schreibe einen Brief.'

antipassiv

6b suo (j) (kiexat (d)) d-azde-sh j-u.
1SG.ABS(J) (Brief(D).ABS) D-schreiben-CVBsim J-COP
'Ich schreibe (einen Brief).'

Hier gibt es kein Affix, das das Antipassiv ausdrückt. "Die Antipassivbedeutung wird nur anhand des unterschiedlichen Kongruenzverhaltens deutlich. Im aktiven transitiven Satz kongruieren sowohl die Kopula wie auch das Hauptverb mit dem direkten Objekt (Bsp. 6a). Im antipassivischen Satz kongruiert die Kopula mit dem Subjekt, das Hauptverb aber weiterhin mit dem direkten Objekt. Das direkte Objekt kann dann weggelassen werden." (Z. M., Tschetschenisch-Artikel)


transitiv

7a souna iza (v) v-iez-a.
1SG.DAT 3SG.ABS(V) V-lieben/brauchen-PRS
A P
'Ich liebe/brauche ihn.'

antipassiv

7b suo (j) iz (v) v-ieza-sh j-u.
1SG.ABS(J) 3SG.ABS(V) V-lieben-CVBsim J-COP
'Ich liebe/brauche ihn.'

In Beispiel 7b kann das Objekt nicht weggelassen werden. Es kongruiert auch weiterhin mit dem Verb.

Interessant ist, dass das Objekt auch im antipassiven Satz im Absolutiv steht. Auch stellt sich hier die Frage, ob es sich wirklich um ein "echtes" Antipassiv handelt, da die Valenz nicht gesenkt wird.

Strittige Hypothesen

Diskussionswürdig ist, dass einige Autoren auf die Verbindung von Antipassiv und Ergativität bestehen (Silverstein, Dixon, Spencer).

Strittig sind die Hypothesen:

  • Antipassivkonstruktionen treten nur in Ergativsprachen auf.
  • Passiv- und Antipassivkonstruktionen können nicht in derselben Sprache auftreten.

Beide Behauptungen werden in Frage gestellt.

Literatur

  • Booij, Geert, Christian Lehmann, Joachim Mugdan & Stavros Skopeteas (Hg.). 2002. Morphologie. Ein internationals Handbuch zur Flexion und Wortbildung. Berlin: Walter de Gruyter.
  • Bußmann, Hadumod. 2002. Lexikon der Sprachwissenschaft. Stuttgart: Alfred Kröner Verlag.
  • Payne, Thomas. 2006. Voice and Valence. In: Payne, T. Exploring Language Structure: a Students’ Guide. Cambridge: Cambridge University Press. pp. 237-276.
  • Polinsky, Maria. 2005. Antipassive Constructions. In: Haspelmath, M., Dryer, M.S., Gil, D., Comrie, B. (Eds.). The World Atlas of Language Structures. Oxford: Oxford University Press. pp. 438-441.
  • Silverstein, Michael. 1976. Hierarchy of Features and Ergativity. In: Dixon, Robert M.W. (ed.). Grammatical Categories in Australian Languages. Canberra: Australian Institute of Aboriginal Studies. pp. 112-171.
  • Whaley, Lindsay J. 1997. Introduction to Typology: The Unity and Diversity of Language. Thousand Oaks, California: Sage Publications.

Andere Sprachen