Difference between revisions of "Agens (Überblick)"

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Das Agens ist eine semantische Rolle (auch: θ-Rolle, Theta-Rolle, thematische Rolle, thematische Relation, Tiefenkasus, Kasusrolle, Kasusrelation oder semantische Funktion; drückt semantische Eigenschaften des Verhältnisses zwischen dem Verb und seinen Argumenten aus). In den verschiedenen Richtungen der Kasusgrammatik werden die verschiedenen semantischen Rollen und damit auch das Agens unterschiedlich definiert.
 
Das Agens ist eine semantische Rolle (auch: θ-Rolle, Theta-Rolle, thematische Rolle, thematische Relation, Tiefenkasus, Kasusrolle, Kasusrelation oder semantische Funktion; drückt semantische Eigenschaften des Verhältnisses zwischen dem Verb und seinen Argumenten aus). In den verschiedenen Richtungen der Kasusgrammatik werden die verschiedenen semantischen Rollen und damit auch das Agens unterschiedlich definiert.
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Zusammengefasst beinhaltet der Agens-Begriff folgende Merkmale:
 
Zusammengefasst beinhaltet der Agens-Begriff folgende Merkmale:

Revision as of 09:04, 7 January 2009

Definition

Das Agens ist eine semantische Rolle (auch: θ-Rolle, Theta-Rolle, thematische Rolle, thematische Relation, Tiefenkasus, Kasusrolle, Kasusrelation oder semantische Funktion; drückt semantische Eigenschaften des Verhältnisses zwischen dem Verb und seinen Argumenten aus). In den verschiedenen Richtungen der Kasusgrammatik werden die verschiedenen semantischen Rollen und damit auch das Agens unterschiedlich definiert.


Zusammengefasst beinhaltet der Agens-Begriff folgende Merkmale:

(a) Belebtheit und Bewusstheit: Agens bezeichnet ein belebtes Wesen, das sich und seiner Handlungen bewusst ist.

(b) Willkürlichkeit bzw. Intentionalität des Handelns: Das belebte Wesen führt die Handlung willentlich und intentional aus.

(c) Verursachung einer Veränderung: Die Handlung bewirkt eine Veränderung.

(d) Aktive Beteiligung und Verantwortlichkeit: Das belebte Wesen ist aktiv an der Handlung beteiligt und ist für die Handlung bzw. für die Folgen der Handlung verantwortlich.

Wortherkunft

Das Wort Agens [mask./neutr.] stammt vom lateinischen agere ‚handeln’ ab.

Beispiele

Zum Merkmal (a) Belebtheit und Bewusstheit:

The child breaks the window. The child ist das Agens. The rock breaks the window. The rock ist nicht das Agens, sondern das Instrument, da ein Stein weder belebt ist noch ein Bewusstsein hat.

Zum Merkmal (b) Willkürlichkeit bzw. Intentionalität des Handelns:

Le père donne un cadeau à son fils. Le père ist das Agens. Le fils reçoit un cadeau. Le fils ist nicht das Agens, sondern der Rezipient, da das Verb erhalten keine willentliche oder beabsichtigte Handlung impliziert.

Zum Merkmal (c) Verursachung einer Veränderung:

She paints a picture. She ist das Agens. She sees a picture. She ist nicht das Agens, sondern der Experiencer, da durch den Akt des Sehens keine Veränderung hervorgerufen wird.

Zum Merkmal (d) Aktive Beteiligung und Verantwortlichkeit:

Sie töteten das Tier. Sie ist das Agens. Sie sahen das Tier sterben. Sie ist nicht das Agens, sondern der Experiencer, da das Verb sehen keine aktive Beteiligung an einem Geschehen und somit auch keine Verantwortung für das Geschehen impliziert wird.

Agens vs. Subjekt

In Nominativsprachen wie dem Deutschen wird das Agens oft als Subjekt des Satzes realisiert und steht im Nominativ. Dies gilt aber nur für bestimmte Verben im aktiven Modus. Auch ist das Subjekt nicht immer das Agens, wie zum Beispiel im passiven Modus:

Sie schreibt einen Text. Sie ist das Agens. Der Text wurde von ihr geschrieben. Von ihr ist das Agens. Der Text wurde geschrieben. Das Agens fehlt, der Text ist das Patiens.

In den Ergativsprachen wie zum Beispiel dem Dyirbal und dem Lezgischen wird der Absolutiv verwendet, um das Subjekt des intransitiven Satzes und das Objekt zu bezeichnen, und der Ergativ, um das Subjekt des transitiven Satzes zu kennzeichnen. Entsprechend steht das Agens nicht im Nominativ.


Kontext

Die Kasusgrammatik (auch: Theta-Theorie, Funktionale Grammatik, Semantische Valenz) beschreibt die syntaktische Struktur und semantische Bedeutung von Sätzen durch semantische Rollen. Semantische Rollen bezeichnen die verschiedenen Funktionen aller Teilnehmer in einem Satz, das heisst, die Beziehungen zwischen dem Prädikat und seinen Argumenten. Sie werden in den verschiedenen Richtungen der Kasusgrammatik unterschiedlich definiert. Van Valin schreibt: „There is no agreement among syntacticians or semanticists as to the ‚correct’ set of semantic roles; hence this discussion should not be taken as definitive but rather as introducing the most commonly used semantic roles.“ (Van Valin, Robert D. (2001). An introduction to syntax. New York. S. 23.)

Das Fillmore-Modell unterscheidet folgende semantische Rollen: - Agens - Instrumental - Objektiv (Patiens, Ziel) - Dativ (Rezipient, Benefaktiv, Experiencer) - Lokativ Das Agens wird dabei definiert als belebter Urheber bzw. Verursacher der Handlung.

Die „Lokalistische Hypothese“ unterscheidet folgende semantische Rollen: - Ursache (cause) - Thema (beinhaltet Patiens, Experiencer und das erste Argument von Positionsverben) - Quelle (source) - Lokativ Die semantische Rolle der Ursache beinhaltet das Agens.

Durch die unterschiedlichen Aufteilung der semantischen Rollen und die zum Teil sich überschneidende Nomenklatur ergeben sich Probleme. Deshalb werden heute eher multidimensionale Rollenbegriffe definiert, die sich zum Teil überlappen dürfen, und der Interaktion zwischen der Aktionsart, der semantischen Rollenstruktur und der syntaktischen Argumentstruktur eines Prädikats (welche semantischen Rollen ein Verb von seiner Bedeutung her verlangt) wird mehr Bedeutung zugemessen.

Semantische Rollen können nach ihrer Allgemeinheit oder ihrer Spezifität eingeteilt werden. Zum Beispiel werden die Verb-spezifischen semantischen Rollen Giver, Runner, Killer, Speaker und Dancer unter der thematischen Relation Agens zusammengefasst (Van Valin, Robert D. (2001). An introduction to syntax. New York. S. 28.).


Synonyme

Agent (engl./frz.)


Siehe auch (andere Glottopedia-Artikel)

- Semantic role - Case role - Thematic relation - Thematic role - θ-role - Semantic function - Functional Grammar - Ergative case - Ergative pattern - Voice (in grammar)


Links

In Norbert Fries, Online Lexikon Linguistik: [- Kasustheorie] [- Theta-Rolle] [- Theta-Theorie]


Literatur und Quellen

- Abraham, Werner (Hrsg., 1971). Kasustheorie. Frankfurt am Main. - Bußmann, Hadumod (Hrsg., 2002). Lexikon der Sprachwissenschaft. Stuttgart. - Dik, Simon C. (1997). The Theory of Functional Grammar. Part 1: The Structure of the Clause. Berlin. - Dik, Simon C. (1997). The Theory of Functional Grammar. Part 2: Complex and Derived Constructions. Berlin. - Dürr, Michael & Peter Schlobinski (2006). Deskriptive Linguistik. Grundlagen und Methoden. Göttingen. - Glück, Helmut (Hrsg., 2005). Metzler Lexikon Sprache. Stuttgart. [überarb. 3. Aufl.] - Pleines, Jochen (Hrsg., 1981). Beiträge zum Stand der Kasustheorie. Tübingen. - Van Valin, Robert D. (2001). An introduction to syntax. New York.